Das St. Walburga-Krankenhaus in Meschede
Von der „Ernestinischen Stiftung“ zum Klinikum Hochsauerland
Man muss sich schon ein wenig in die Zeit versetzen, um die Gründung der ersten Krankenanstalt in Meschede richtig einschätzen zu können: In der Mitte des 19. Jahrhunderts lag die Einwohnerzahl in Meschede bei ca. 2000. Der damalige Pfarrer und Landdechant Ernestus Böschen wünschte sich zu seinem goldenen Priesterjubiläum „eine Pflegeanstalt für arme Kranke“. Er selbst spendete 160 Taler. Die Ernestinische Stiftung war gegründet. Zahlreiche weitere Zuwendungen wurden benötigt, und es dauerte noch weitere drei Jahre, bis das Projekt wirklich umgesetzt werden konnte. Neben den Mescheder Bürgern war es vor allem der ortsansässige Graf Clemens August von Westphalen, der die Ernestinische Krankenanstalt finanziell großzügig unterstützte. Das alte Krankenhaus lag zwischen Mühlengasse und Gutenbergstraße. Dort trafen am 12.08.1854 zwei Clemensschwestern, Salesia und Ambrosia, aus dem Orden der „Barmherzigen Schwestern“, Münster, in Meschede ein. Zu ihrer Freude fanden sie bei der Einführung in die Anstalt bereits einen Beinbruch-Kranken vor. In den folgenden fünf Monaten wurden insgesamt 23 Kranke behandelt, betreut und verpflegt.
Die Anzahl der Kranken stieg kontinuierlich, Um- und Anbauten wurden nötig. Schließlich kam es 1936 zum Neubau des St. Walburga-Krankenhauses. Damals als „das modernste Krankenhaus des Sauerlandes“ von der Presse gefeiert. 150 Betten und drei Operationssäle wurden von 28 Clemensschwestern pflegerisch betreut. Die Ernestinische Anstalt wurde in ein Altersheim umgebaut.
Bereits 1956 erfolgte die Gründung einer Krankenpflegeschule am St. Walburga-Krankenhaus. Das Krankenhaus wurde fortlaufend erweitert, umgebaut und mit weiteren Anbauten versehen. 2017 schlossen sich die vier Krankenhausstandorte in Meschede und Arnsberg zu der gemeinsamen Krankenhausgesellschaft unter dem Namen „Klinikum Hochsauerland“ zusammen. Sie verfügen über 927 Betten und bieten von der Grund- und Regelversorgung zusätzlich in 12 Schwerpunktzentren eine flächendeckende und vorbildliche Gesundheitsversorgung. Pro Jahr werden in den vier Krankenhäusern ca. 40.000 Patienten stationär behandelt. Mit rund 2.500 Beschäftigten ist das Klinikum Hochsauerland einer der größten Arbeitgeber und Ausbilder in der Region.
Insgesamt war es ein langer Weg von der Ernestinischen Stiftung bis zum St. Walburga Krankenhaus im Klinikum Hochsauerland. Ein Weg, der sich gelohnt hat und den Ernestus Böschen gewiss erträumt haben mag. Heute können die Mescheder zu Recht stolz auf ihr Krakenhaus sein.
Text: Sabina Butz
Foto: Michael Kramer by wikimedia commons

Foto: Georg Hennecke



Oben und Mitte: Ehemalige Veramed-Klinik
Unten: Beringhausen bei Meschede
Fotos: Georg Hennecke
Beringhausen
Vom Rittergut über die Auguste-Victoria-Heilstätte zur Geisterklinik
Gibt man in den gängigen Suchmaschinen „Veramed-Klinik Meschede“ ein, erfährt man schnell, wo sie zu suchen ist: in Beringhausen, einem Stadtteil von Meschede mit 17 Einwohnern. Die angebotenen Fotos sind überwältigend: ein Riesenareal mit einem Gebäudekomplex, dessen imposante Fassade beeindruckt – und das Ganze mitten im Wald. Großartig und definitiv sehenswert. Die Anfahrt kann ja wohl nicht so schwer sein – „Beringhausen 5“ steht als navi-taugliche Adresse zur Verfügung. Und allein die Strecke von Meschede aus ist eine Reise wert: Sauerland pur, immer wieder wunderschön.
Niemand in der Nähe
Ursprünglich war hier im Wald die Ritterfamilie von Beringhausen ansässig, deren Ursprung bis heute unbekannt ist. Der Name lässt sich als „der Bären- oder Heldenkühne“ aus dem Altdeutschen Perinhart ableiten – heute erinnern Namen wie Bernhard oder Bernd an den kühnen Bärenjäger. Erstmals erwähnt wird die Familie 1313 im Güterverzeichnis des Grafen Wilhelm von Arnsberg. Es muss sich um eine der bedeutendsten Ritterfamilien im Kreis Meschede gehandelt haben: Pröbste und Dekane des Stifts Meschede gehören ebenso dazu wie ein Abt des Klosters Grafschaft und Besitzer anderer adeliger Häuser in der Umgebung – etwa in Antfeld, Gevelinghausen, Laer, Meschede oder Blessenohl. Auch für die Damen des Hauses war gesorgt: Bis 1310 finden wir sie im adeligen Damenstift in Meschede.
Das Rittergut war nie Lehen des Stifts Meschede oder der Grafen von Arnsberg – offenbar benötigte es keinen Schutz. Merkwürdig auch, dass es keine Siedlung um das Gut herum gab: Die Gefolgsleute wohnten verstreut in den umliegenden Wäldern, aber eben nicht direkt beim Gut. Bis heute ist unklar, welche Anbindung an das damalige Verkehrsnetz bestand – kein bekannter Weg führte hier entlang. Vielleicht erklärt das, warum das Gut nie belagert, bekämpft oder eingenommen wurde: Die möglichen Feinde fanden es schlicht nicht.
Die Auguste-Victoria-Knappschaftsheilstätte
Bis ins 16. Jahrhundert blieb das Gut im Besitz der Familie von Beringhausen. Danach wechselten die Eigentümer in rascher Folge – was dem Anwesen nicht guttat. Schließlich verkaufte Vetter zu Halbeswig um 1900 das Gut an den Allgemeinen Knappschaftsverein Bochum. Dieser errichtete eine Heilstätte für lungenkranke Bergleute. 1904 wurde die Auguste-Victoria-Knappschaftsheilstätte nach Plänen des Architekten Julius Boethke mit 118 Betten eröffnet – eine Architektur von beachtlicher Größe und eine mustergültige Heilstätte ihrer Zeit.
Eine technische Besonderheit: Die 110 Höhenmeter zwischen Tal und Klinik wurden zunächst per Seilbahn überwunden – erst zwischen 1913 und 1921 wurde eine Zufahrtsstraße angelegt. Im Zweiten Weltkrieg diente die Heilstätte als Reservelazarett. Die US-Armee nutzte sie anschließend als Kriegsgefangenenlazarett und übergab sie 1946 der Ruhr-Knappschaft in Bochum zurück.
Der neue Name: Bundesknappschafts-Klinik Tannenberg. Bis zur Schließung 1986 wurden hier rund 44.000 Patienten behandelt.
Die Geisterklinik
Nach dem Verkauf wurde das Haus grundlegend umgestaltet und unter dem Namen Veramed-Klinik mit einem 20-jährigen Pachtvertrag neu eröffnet – auf Grundlage eines ganzheitlichen Konzepts zur Nachsorge von Krebspatienten. Doch bereits ein Jahr nach der Insolvenzeröffnung wurde die Klinik 2009 geschlossen – seither steht sie leer.
Eine so abgelegene, pittoreske Kulisse zieht zwangsläufig fragwürdige Aktivitäten an: Vandalismus ist quasi vorprogrammiert, Metalldiebstahl lockt, Geisterfans und Softair-Spieler fühlen sich eingeladen. Sie alle haben ihre Spuren hinterlassen.
Die leidige Affäre um zurückgelassene Patientenakten – für deren Archivierung sich niemand zuständig fühlte – zählt ebenfalls zu den traurigen Kapiteln. Positiv zu erwähnen: die entschlossene Aktion von Landrat Karl Schneider, die für Ordnung sorgte.
Ebenfalls bemerkenswert: die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ort im Rahmen des NRW-Projekts „Stadtbesetzung“, organisiert 2019 durch die Kulturregion aufruhr. Die Inszenierung „Versehrt“ nutzte die Kulisse sinnvoll als temporäre Bühne.
Wie geht es weiter?
Ein großes, sehr großes Fragezeichen 2023 gab es einen Hoffnungsschimmer: Das Klinikgelände sollte zu einer Kurklinik mit angeschlossenem Veranstaltungshotel und einer Seniorenresidenz umgebaut werden. Dabei könnte es sich allerdings auch nur um ein Gerücht handeln.
Hoffen wir das Beste.
Text: Sabina Butz
Das alte Krankenhaus in der Mendener Straße

Erinnerungen einer Barmherzigen Schwester (fiktiv)
Neheim, im Jahre 1880
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit im alten Krankenhaus an der Mendener Straße 33 – ein grauer, dreigeschossiger Bau mit krummen Deckenbalken und knarrenden Dielen. Immerhin war er geräumiger als das Haus, das zuvor als Hospital diente. Dort, so erzählte man sich, standen kaum mehr als fünf Betten für die Kranken bereit.
Das Gebäude hatte der frühere Bürgermeister kurz nach dem großen Brand errichten lassen. Später lebte dort ein Bäcker, dann ein Gastwirt. Von ihm erwarb schließlich der Krankenverein das Haus. Eine Zeit lang nutzte auch die jüdische Gemeinde das obere Stockwerk – als kleine Betstube. Ab und zu begegneten wir einigen ihrer Mitglieder. Besonders ist mir ihr Vorsteher im Gedächtnis geblieben: Noa Wolff. Ein vornehmer Mann, voller Witz und Wärme. Sicherlich hatten es die Juden in der Stadt nicht immer leicht, doch wenn er in der Nähe war, hallte sein herzhaftes Lachen bis in unsere Krankenzimmer. Auch uns Schwestern begegnete er stets mit großer Freundlichkeit.
Wir – das waren Schwester Martha und ich, Schwester Pia. Der Bischof hatte uns mit der Pflege im Dienst des Ferdinandinen-Krankenvereins betraut – des „Armen-Kranken-Unterstützungsvereins“. So führte mich mein Weg von der Pflegeanstalt in Geseke hierher nach Neheim. Die Arbeit war oft hart, doch wir verrichteten sie mit Hingabe. Denn für uns Barmherzige Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul ist das Leben in der Nachfolge Jesu geprägt durch tätige Nächstenliebe. Und die kam auch in Neheim gut an. Wir fühlten uns willkommen, und es tat gut, in den Augen der Patienten Dankbarkeit zu erkennen. Wir kochten Brühen, wuschen und verbanden Wunden, spendeten Trost – und beteten. Ein Arzt war nicht ständig vor Ort, doch gelegentlich schaute einer vorbei, wenn der Zufall oder die Not es wollten. Medikamente waren rar, Seife ein Segen – und Ruhe das kostbarste Gut.
Bereits 1862 verließen wir das Haus wieder. Der Verein hatte beschlossen, eine neue katholische Kranken- und Pflegeanstalt zu errichten. Die Stadt erwarb dafür Grundstücke „auf dem Heuweg“ – dort, wo heute das Springufer liegt. Alles war dort größer, geordneter – und das Wichtigste: Es gab nun Ärzte vor Ort und ganze 24 (!) Krankenbetten. Schwester Martha freute sich schon auf die Arbeit im St. Johannes-Hospital. Ich ging nicht mit. Bei seinem letzten Besuch hatte der Bischof die Arthrose in meinen Händen bemerkt – und mich schließlich ins Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern nach Paderborn zurückgerufen.
Dort steht in meinem kleinen Zimmer noch immer eine Petroleumlampe der Gebrüder Wolff. Jedes Mal, wenn ich sie anzünde, muss ich schmunzeln. Dann denke ich wieder an den freundlichen Mann mit dem Backenbart. Der Bischof erzählte mir einmal, dass Noa Wolff viel für Neheim getan und die Industrialisierung vorangetrieben hat. Ich kann es mir gut vorstellen.
Was aus dem alten Haus an der Mendener Straße wurde? 1863 kaufte es die Israelitische Gemeinde. Und im hinteren Garten, wo einst unser Wäscheplatz war, begann man – so hörte ich – zwölf Jahre später mit dem Bau einer neuen Synagoge.
Fakten
1807 Ein Stadtbrand zerstört weite Teile der Stadt Neheim
1808 Der ehemalige Bürgermeister Ferdinand Stockebrand lässt das Haus in der Mendener Straße errichten. Spätere Besitzer waren der Bäcker Franz Wilhelm Dicke und der Gastwirt Josef Rüther.
1809 Der Unternehmer Noah Wolff wird in Bad Berleburg geboren und starb 1907 in Neheim. Er war Vorsteher der Neheimer jüdischen Gemeinde und des Synagogenbezirks Arnsberg. Außerdem war er Mitbegründer des Neheimer Jägervereins.
1831 mietete die jüdische Gemeinde hier eine Betstube.
1845 Gründung des Ferdinandinen-Krankenvereins als "Armen-Kranken-Unterstützungsverein", 12 Tage später Eröffnung des ersten Krankenhauses in Neheim mit fünf Betten und zwei Pflegekräften.
1853 Erwerb des Josef-Plecking-Hauses an der Mendener Straße durch den Ferdinandinen-Krankenverein zur Einrichtung eines größeren Krankenhauses. Kosten: 1.500 Taler + 318 Taler für Renovierung. Eigentümer war zu der Zeit Josef Plecking.
1858 Der Ferdinandinen-Krankenverein plant den Bau einer neuen Kranken- und Pflegeanstalt zu Ehren des Grafen von Arnsberg.
1859 Beschluss zur Gründung eines selbstständigen katholischen Hospitals unter dem Namen „Hospital zum St. Johannes in Neheim“.
1860 Bischof Conrad von Paderborn genehmigt die Niederlassung der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul. Daraufhin beziehen Schwester Martha Meyer und Schwester Pia Pack das neue Hospital im Haus Josef Plecking an der Hauptstraße (heute Mendener Straße).
1862 Grundsteinlegung für das neue St. Johannes-Hospital „Auf dem Heuweg“ (heute Springufer).
1863 kauft die Israelitische Gemeinde das Haus für 1.910 Taler.
1875/1876 Bau/Einweihung der Synagoge
Text und Foto: Christel Zidi

Blick auf die Schützenhalle im Walpketal
Foto: Petra Klawikowski, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Das Walpketal
Ein Aussätzigenhaus vor den Toren der Stadt Arnsberg
Das Walpketal – Landschaft der Geschichte und Stille
Im Stadtgebiet von Arnsberg findet man das Walpketal, benannt nach dem gleichnamigen Bach Walpke, der 6,8 km lang ist. Oberhalb des Zusammenflusses von Walpke und Ruhr wurde in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts auf einem Berg die Rüdenburg errichtet. Das Tal war spätestens seit dem 12. Jahrhundert im Besitz der Herren von Rüdenberg. An der Walpke wurde bis ins 17. Jahrhundert Eisen gefördert.
Kurfürst Maximilian Heinrich von Bayern erwarb 1652 Besitzungen im Walpketal, die er zum Teil für seinen Tiergarten nutzte. Auch eine Pulvermühle ließ er an der Walpke errichten. Heute ist das Tal unbewohnt, wird jedoch gerne besucht – nicht zuletzt bei Veranstaltungen in der Schützenhalle Obereimer. Das Kloster Wedinghausen unterhielt im Tal Fischteiche. Zwei Teiche befinden sich auch heute noch dort, direkt neben der Schützenhalle.
Das Seufzertal – Erinnerung an die Ausgegrenzten
Bemerkenswert ist die in Arnsberg und Umgebung geläufige Bezeichnung des Walpketals als „Seufzertal“. Hier, weit vor den Toren der mittelalterlichen Stadt, befand sich einst ein Leprosorium – ein Aussätzigenhaus. Den Bewohnern dieses Hauses wurden wohl die vielen Seufzer zugeschrieben, die dem Tal seinen Namen gaben.
Lepra, eine schwere Infektionskrankheit, gilt in der westlichen Welt heute als nahezu ausgerottet. Eine wirksame Therapie existiert erst seit 1982. In ärmeren Regionen der Welt leiden jedoch noch immer viele Menschen darunter.
Bereits im Altertum wurden Erkrankte ausgesondert. Im Alten Testament heißt es im 3. Buch Mose, Kapitel 13, Verse 45–46:
„Der Aussätzige […] soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungekämmt lassen; er soll den Bart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein!“
In Europa sind Leprosorien seit dem 5. Jahrhundert nach Christus nachgewiesen – vor allem in Frankreich und Deutschland.
In einem Leprosorium wurden die Kranken meist von kirchlichen Einrichtungen mit Nahrung und Kleidung versorgt. Sie mussten besondere Kleidung tragen, um als Erkrankte erkennbar zu sein. Hörner, Schellen, hölzerne Klappern oder Ausrufe wie „Aussatz!“ machten ihre Nähe hörbar.
Zum Schutz der städtischen Bevölkerung wurden Leprosorien möglichst weit außerhalb der Städte errichtet – bevorzugt an Wasserläufen, die stadtauswärts flossen.
Heute – Natur statt Not
Heute erinnert nichts mehr an die vielen „Seufzer“ der Erkrankten oder die Mühen der mildtätigen Helfer. Ein Teil des Walpketals steht unter Naturschutz – ein stiller, friedlicher Rückzugsort, nicht nur für geschichtsinteressierte Menschen.
Text: Sabina Butz