ALTE HÖFE

Foto: Georg Hennecke

Der Junkernhof in Ramsbeck

Schon immer Begegnungsstätte 

 

 

Würde man sich zu einer Veranstaltung im Junkernhof, der „guten Stube der Gemeinde“, begeben, träfe man zu einem nicht geringen Teil die Nachfahren all jener Familien, die schon in den alten Kirchenbüchern verzeichnet sind: Besse, Heimes, Humpert, Knipschild u. a.

Und so war es auch ein Urahn dieser Besucher, der das schmucke Bauernhaus einst errichtet hat. Dass es noch so gut erhalten ist, ist dem Bauunternehmer August Heimes zu verdanken, der das Gebäude 1965 erworben hatte, um einen Teil davon als Bürogebäude zu nutzen und später in der Deele ein Heimatmuseum mit bäuerlichen Gegenständen einzurichten. August Heimes hat viel in das „Erbe seiner Väter“ investiert und sich damit die über dem Deelentor eingravierte Inschrift reichlich verdient.

Erbaut haben den Junkernhof Joannes Jodocus (Jost) Knippschild aus Brabecke und die Ramsbeckerin Anna Gertrudis Engel im Jahre 1744. Beim Recherchieren in den Kirchenbüchern fanden wir heraus, dass der Brautvater Christoph Engel aus Bödefeld stammte. Im Taufeintrag der Brautmutter, Anna Catharina Heg(g)ener aus Ramsbeck, findet sich bereits der Namenszusatz „Heggener vel. Juncker“.

Wilhelm Knipschild, der Vater des Bräutigams, war Fronvogt in Brabecke. Sein Vater Heinrich war kurfürstlicher Richter in Bödefeld, der Großvater Richter in Medebach. Die Ahnenlinie von Wilhelms Mutter, Anna von Hanxleden, reicht weit zurück. Heute nicht mehr lückenlos nachzuweisen, aber recht wahrscheinlich war der Kreuzritter Siegfried von Hanxleden ihr Urahn.

Ein Jahr bevor Jost Knippschild das Haus erbaute, war genau an diesem Platz ein Bauernhaus vom Feuer betroffen. Nun entstand hier ein „Vierständerhaus mit Deele und zweigeschossigen Seitenschiffen“. Über dem Deelentor wacht die Heilige Lucia. Die Schutzpatronin der Bauern nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Mit der Brandfackel in der Hand erinnert sie an die Zerstörungswut des Feuers. Die prachtvollen bäuerlichen Schnitzereien des Tores und die Heiligenfigur stammen noch aus den Anfangsjahren. Die Dielentür selbst ist nicht so alt, fügt sich aber harmonisch in das Ganze ein.

Dass Bauernhöfe verkauft werden, geschah und geschieht äußerst selten. Eher war es wohl so, dass ein Mann aus der Heimes-Familie auf dem Junkernhof einheiratete. Wann – das lässt sich nicht mehr feststellen, da ausgerechnet die Traubücher aus den Jahren 1745–1777 nicht mehr vorhanden sind. Bekannt ist aber aus www.matricula-online.de, dass Johannes Laurentius (Johann) Heimes 1807 auf dem Junkernhof geboren wurde und sein Großvater Hermann ein Jahr zuvor dort starb. Johann heiratete später Margaretha Besse, die in „Ramsbeck Tönen“, also auf dem Nachbarshof, geboren wurde.

Bis 1963 blieb der Hof im Besitz der Familie Heimes. Der letzte Erbe, Hubert Heimes († 2021), siedelte die Hofanlage aus dem Ortskern aus und auf dem Heidfeld (Richtung Andreasberg) wieder an. Hier betreibt sein Sohn Thomas heute eine kleine Milch- und eine große Forstwirtschaft.

„Es entsprach dem damaligen Zeitgeist“, erklärt Anne-Karen Humpert, „bäuerliche Betriebe aus dem Ortsgefüge zu nehmen und auszusiedeln und die alten Hofanlagen abzureißen. Dies geschah mit dem direkt nebenan liegenden Hof der Familie Besse-Tönn. Leider sind keine Gebäude mehr da, auch die Nebengebäude vom Junkernhof wurden damals abgerissen.“ Und weiter erklärt die Ortsheimatpflegerin: „Heute kann man froh sein, dass dem Haupthaus des Junkernhofs nicht das gleiche Schicksal zuteilwurde wie vielen anderen Höfen.“

Nachdem das Bauunternehmen Heimes in das Industriegebiet Ziegelwiese gezogen war, wurde das Haus 1983 unter Denkmalschutz gestellt. 1984 erwarb die Gemeinde Bestwig das Haus und renovierte es aufwendig. Heute dient es als Begegnungsstätte der Gemeinde.

 

Anmerkung: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war ein Junker ein junger Adliger, oft ein Gutsbesitzer ohne hohen Rang, aber mit Landbesitz und bäuerlicher Abhängigkeit.

Text: Christel Zidi

 

 

Haus- und Hofnamen

Eine alte Tradition lebt noch immer in den Köpfen der Alteingesessenen weiter – und wird manchmal sogar von Zugezogenen wiederbelebt: die Weitergabe von Hof- und Hausnamen. In vielen Sauerländer Orten, z. B. Schmallenberg-Winkhausen, Brilon-Scharfenberg, Olsberg-Helmeringhausen, Winterberg-Neuastenberg und Warstein-Belecke, pflegt man diese Tradition. Teils finden sich neue Schilder mit den ursprünglichen Namen an den Hauswänden alter Gebäude. Das kann der Name des Erbauers sein, sein Beruf – oder die Funktion, die der Ort oder das Haus früher hatte.

Das Prinzip „Der Hof bleibt, der Name geht“ war noch im 18. Jahrhundert in Westfalen üblich. Damit konnten die Erbauer eines Hofes sicherstellen, dass – falls es keine männlichen Erben auf dem Hof gab – trotzdem der Hofname erhalten blieb. Der neue Besitzer, egal ob eingeheirateter Schwiegersohn oder ein völlig Fremder, erhielt den Hof- bzw. Hausnamen. In den Kirchenbüchern wurden dann beide Namen aufgeführt. Ein Kotthoff auf dem Hof Heinemann war dort als Kotthoff genannt Heinemann verzeichnet. Seine Kinder wurden dann schon auf den Namen Heinemann getauft. Das kann schon mal zu Verwirrung bei Familienforschern führen – wenn die Vorfahren zwar aus demselben Haus stammen und denselben Namen tragen, aber keinerlei Blutverwandtschaft besteht. Auch wenn die preußische Verwaltung im Jahre 1810 eine Verordnung zur „Unabänderlichkeit“ des Familiennamens erließ, lebten die alten Hofnamen dennoch weiter.

Viele kennen noch Beispiele dafür, wie z. B. das der hochbetagten, unverheirateten Anne Becker, die von allen im Dorf nur Kotthoffs Aenne genannt wird. Sie wurde im Hause Kotthoff geboren – und wohnt dort noch immer. Und selbst wenn sie später in eine andere Straße gezogen wäre, bliebe sie für die Leute im Ort doch immer Kotthoffs Änne.

Schon bald erkannten die preußischen Verwaltungen, dass sich diese Namenssitte nicht einfach verdrängen ließ. Freiherr von Vincke ergänzte später die Verordnung durch den Zusatz, dass in den Personenstands-, Einwohner- und Steuerlisten zwar der Familienname zu stehen habe, in den Bürger- und Einwohnerlisten aber zusätzlich auch der Hofname. Diese Sonderregelung galt allerdings nur für denjenigen, der den Hof übernommen hatte – nicht für seine Nachfahren.

In den beim Richtfest verliehenen Hausnamen zeigen sich häufig auch die Berufe der Erbauer, die wiederum oft der Ursprung der Familiennamen sind. Doch nicht nur die Erbauernamen dienten als Hausnamen – manchmal auch die Funktion des Ortes bzw. Hauses. So heißt denn in Winterberg-Siedlinghausen ein altes Haus Linkämpers. Der Name deutet auf den Platz (Kamp) hin, an dem die Einwohner früher ihre Wäsche, ihr Linnen, zum Bleichen ausbreiteten.

 

Text: Christel Zidi

Foto: Georg Hennecke

Der Schulten-Hof in Winkhausen

Dort, wo einst die Fuhrleute rasteten

 

Ein schwer beladener Wagen rollt langsam in den Hof ein. Räder knarren, die Pferde stampfen erschöpft über das Pflaster. Der Fuhrmann steigt ab und prüft die Ladung: Salz, Getreide, Tuch. Gerade noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit hat er es bis hierher geschafft. Er klopft an die schwere Holztür des Schultenhofes und wartet, bis der Wirt ihm öffnet. Johannes Schulte grüßt ihn freundlich. Man kennt sich. Mit einer Handbewegung in Richtung seines Knechtes verschwindet dieser auf den Hof und sorgt dafür, dass die Pferde des Fuhrmanns einen Platz im großen Schafstall finden und mit Wasser und Heu versorgt werden.

Der Fuhrmann indes hat schon an einem der urigen Tische Platz genommen. Einen Kanten Brot und frische Blutwurst hat ihm die Tochter des Hauses serviert. Gleich gibt es noch einen Krug Bier, das im Bergkeller auf der anderen Seite der Straße gut gekühlt wurde. Das mundete den anderen Gästen – den Einheimischen und anderen Fuhrleuten – bereits. Die meisten kennt er. Auch sie kehren immer wieder hier ein und tauschen Geschichten von der Straße aus: vom Wetter, von guten Geschäften, von Räubern im Wald. Die einen kommen aus dem Soester Raum, einige aus Köln, und ein paar sind den weiten Weg von Leipzig hierhergekommen.

Der Schultenhof war schon immer mehr als nur eine Raststation. Von 1642 bis 1949 diente er als Fuhrmannskneipe. Er war Treffpunkt, Umschlagplatz, Nachrichtenbörse. Denn das alte „Wiedinghusen“, wie Winkhausen einst hieß, lag strategisch an einem wichtigen Heer- und Handelsweg, der zugleich Teil des Jakobspilgerpfades war.

Manchmal erzählte man sich hier auch die ganz alten Geschichten und Sagen – wie die vom Sachsenführer Widukind, der um das Jahr 800 ein Heerlager in Winkhausen errichtet haben soll, um von dort aus die Wallburg auf dem Wilzenberg anzugreifen.

Es gab schon immer viel zu erzählen, denn die Geschichte des Hofes reicht weit zurück. Ursprünglich war er im Besitz der Edelherren von Grafschaft, bevor er im Jahre 1536 aufgeteilt wurde – in die Höfe Schulte und Oberste Heimes (Voss). 1774 gab Johannes Rudolf Schulte dem Hof, der zu sechs anderen im Ort gehörte, seine heutige Form.

Schon im Mittelalter stand hier ein Hof. Davon zeugt ein Brunnen aus jener Zeit, der heute – unter Glas – in der Küche der Eigentümer steht. Als Gerhard Kuss den Hof in den 1990er-Jahren übernahm, war dieser ziemlich heruntergekommen. Mit viel Einsatz ist es ihm gelungen, die historische Substanz zu bewahren und dem Hof seinen einstigen Glanz wiederzuverleihen.

Seine Tochter Ina hat aus der einstigen Fuhrmannskneipe ein schmuckes Café gemacht. Hier kann man auf uralten Bänken sitzen und seine Beine unter die alten Tische stellen, an denen schon vor Hunderten von Jahren die Fuhrleute saßen. Und wenn man hier so ganz entspannt sitzt und für einen Moment die Augen schließt, kann man an diesem Ort auch in die Vergangenheit eintauchen. Dann hört man vielleicht die Stimme des leicht trunkenen Fuhrmanns, der murmelt: „Nur noch einen Krug.“ Und man meint das Blöken der Schafe im Stall zu hören … Dabei ist es nur der künftige Hofbesitzer, der im Erlebnismuseum – dem ehemaligen Schafstall – das Geräusch der Oldtimer nachahmt, die dort zwischen landwirtschaftlichen Geräten, antikem Spielzeug und gusseisernen Öfen lagern.

Café-Besucher sollten unbedingt auch einen Blick auf die Inschriften rund um das vierflügelige Hoftor werfen. Dort gibt es spielende Kinder, ein Unendlichkeitssymbol u. a. zu bestaunen.

 

Text: Christel Zidi

 

Schulten-Höfe - schön, groß und bedeutend

Der Kotthoff in Vellinghausen im Februar 2022, früher der "Schultenhof zu Vellinghausen"
Foto:Georg Hennecke

Im Sauerland finden sich viele eindrucksvolle Höfe: der Schulten-Hof in Schmallenberg-Winkhausen, der Hof Cloer mit Diedrich Schulte-Halbeswig als erstem Lehnsnehmer, der Schulten-Hof in Olsberg-Gierskopp oder der „Schultenhof zu Vellinghausen“, der Ende des 19. Jahrhunderts in „Hof Kotthoff“ umbenannt wurde. Dass bei diesen Beispielen der Name „Schulte“ so häufig auftaucht, ist kein Zufall: Der Schultenhof war in Westfalen ursprünglich in jeder Bauernschaft nur einmal vertreten – als Ober-, Haupt-, Richt-, Fron- oder Salhof.

Solche Höfe verfügten meist über sechs bis zehn Pferde zur Bewirtschaftung und waren oft die größten in der Umgebung. Gelegentlich wird auch von einem Meierhof gesprochen – ein Begriff mit in Westfalen nahezu identischer Bedeutung.

Der Historiker Leopold Schütte beschreibt in der Westfälischen Zeitschrift, wie sich die Besitzverhältnisse im Münsterland darstellten: Während gewöhnliche Bauern auf kleineren Höfen, sogenannten „Hufen“, lebten – als Hörige mit erblichen Nutzungsrechten –, saßen die Schulten auf Herrenhöfen, die dem Grundherrn unmittelbar gehörten. Diese Herrenhöfe waren häufig groß genug, um Land für Kirchen und Pfarrgüter abzutrennen oder Platz für Handwerker und Landarbeiter zu schaffen. Auch lag die Erlaubnis zur Ansiedlung einfacher Leute zunächst beim Schulten.

Im Gegensatz zum Münsterland, wo es in einer Bauerschaft mehrere Schulten geben konnte, war im Hellwegbereich und in Ostwestfalen meist nur ein einziger Schulten oder Meier in einem Ort anzutreffen. Oft trugen diese ihren Herkunftsort als Namenszusatz. In einigen Fällen lassen sich solche Höfe sogar als Überreste größerer mittelalterlicher Siedlungen erkennen – in ihrer Größe und Anlage erinnern sie mitunter an Adelsgüter.

Mitunter wurde der Schulte mit Gerichtsgewalt ausgestattet, was jedoch eher selten geschah. Im Mittelalter fällte der Richter das Urteil nicht selbst, sondern sorgte für die Durchführung des Verfahrens und die Vollstreckung des von den Standesgenossen des Beklagten bzw. der „Freiheit“ bestimmten Urteils.

Außerhalb Westfalens fungierte der Schulte häufig als Richter, während der Meier überwiegend wirtschaftliche Aufgaben hatte. In Westfalen dagegen war die Ehefrau des Schulten als „Meiersche“ bekannt – sie leitete den Wirtschaftsbetrieb, während ihr Mann die rechtliche Beziehung zum Herrn pflegte.

Die Position des Schulten war stark von seinem Herrn abhängig und nicht immer angenehm. Wer sich jedoch bewährte, konnte ab dem 12. Jahrhundert in die Ministerialität und später in den Niederadel aufsteigen. Dieser Weg wurde im 14. Jahrhundert weitgehend verschlossen, da sich der neue Adel gegenüber Aufsteigern abschottete.

Schultenhöfe waren in der Regel große und wohlhabende, aber nicht unbedingt alte Höfe. Viele von ihnen entstanden erst später als Herrenhöfe – und galten deshalb als besonders vornehm. Der Begriff „Schulte“ allerdings wurde – zumindest regional – auch für weniger angesehene Personen verwendet. Das verweist auf ältere, bis ins 17. Jahrhundert reichende Strukturen: Im Kirchspiel Ergste (heute ein Ortsteil von Schwerte bei Iserlohn) gibt es mehrere alte, einzeln gelegene Schultenhöfe. Dennoch wurde „Schulte“ dort, wie im gesamten Sauerland, wo der Name heute am häufigsten vorkommt, auch als Synonym für „Pächter“ gebraucht.

Text: Christel Zidi

Quelle: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-7993.pdf

Leopold Schütte: Die Schulten im alten Westfalen 

"Ich bin der Schulte von Halbeswig"

 

Meistens ist es hier ruhig, bei uns auf’m Hof. Halbeswig – da, wo die Welt ein bisschen langsamer ist. Wenn du morgens früh rauskommst und dat Licht über’n Hof kriecht, dann hörst´e die uralten Pflastersteine fast reden. Jau, dat klingt jetzt komisch, aber glaub mir: Wer hier steht, merkt, dat hier wat is.

Zwar steht in meinem Personalausweis ein anderer Name, aber ich bin der Schulte – so hat man uns immer genannt. Früher hieß dat: Ich bin der Bauer, aber auch so’n bisschen der Chef. Nicht im großen Sinne, aber für den Hof eben. Mein Vater war dat, und sein Vater auch. Und ganz lange davor, da war’s der Diedrich – Schulte-Halbeswig, geboren um 1330. Der erste, von dem man weiß, dat er den Hof hier hatte. Damals hat der Propst von Meschede uns den Hof verliehen. So lief dat früher, mit Lehn und Zehnten und dem ganzen Zeug.

Sein Sohn, der Vollmar – oder wie sie ihn nannten: Voylmeke – der hat dat Ding dann übernommen. 1404, steht es in so ‘ner alten Urkunde, hat der Propst Albert ihm den Hof bestätigt. Mit so ‘nem schönen Satz: „Dieser Hof muss alle zwölf Jahre vom Probst gewonnen werden.“ Jo, da musste man hin, schön Respekt zeigen und sagen: Wir sind euch treu. Und im Gegenzug ließ der Probst einen machen.

Dat Land war also nicht richtig „unser“, aber irgendwie doch. Wir haben’s bewirtschaftet, gepflegt, verteidigt – als ob’s uns gehört. Und vielleicht war dat auch mehr wert als´n Stück Papier.

Über die Jahrhunderte haben hier viele Leute gewohnt. Ich sag dir: Wenn de mal die alten Namen durchgehst, dann findest de die halbe Gegend: Beule, Hennemann, Hesse, Kenter, Hermes, Humpert, Klagges, Knipschild, Niggemann, Röttgers, Schulte, Stappert, Stehling, Steilmann, Stratmann und auch die Willmers. Meine Güte, die hatten ja alle mal mit unserem Hof zu tun. 

Besonders häufig sind die Namen Friedrichs, Gödde, Meschede, Hanxleden und Vetter. Und dann die ganzen Milchsuppen! Die Melicksupen, wie man früher sagte. Die waren auch mal dicke dabei, haben Höfe gekauft und Güter geerbt. Dat war manchmal wie’n großes Kuddelmuddel.

Und dat mit dem Besitz – boah, dat war ein ständiges Hin und Her. Mal gehörte dat Stück Land denen von Meschede, mal den Hanxledens, mal tauchte plötzlich so’n Vetter von Halbeswig in Beringhausen auf. Aber am Ende, da kamen se alle irgendwie wieder hier vorbei. Halbeswig war immer so’n Dreh- und Angelpunkt.

Wir hatten sogar mal ein Femegericht hier. Kannste dir dat vorstellen? Hier, auf’m Hof – da wurde Recht gesprochen. Vielleicht hat mein Uropa da gesessen, Hut auf’m Schoß, die Hände verschränkt, und hat zugehört, wie einer verurteilt wurde. Dat war ne ganz andere Zeit, sach ich dir.

Heutzutage leben wirklich nicht mehr viele hier, kaum ein Dutzend. Kein Vergleich zu früher – da war so richtig was los. Aber nun denn. Der Hof steht noch. Und ich? Ich bin immer noch der Schulte von Halbeswig. Wie’s sich gehört.

Foto: Georg Hennecke

FAKTEN
Der Hof Halbeswig – 1481 als „Bolken-Gut“ bezeichnet  diente ursprünglich als Femegericht, auf dem Gerichtsverhandlungen stattfanden.

Der heute noch erhaltene Gebäudebestand stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.

2020 lebten laut Stadt Meschede sieben Menschen auf dem Hof.

Lehnsverhältnisse (Feudalzeit):

  • Lehnsherr: Der Propst von Meschede.
  • Erster bekannter Lehnsnehmer: Diedrich Schulte-Halbeswig (1330–1404).

Weitere Besitzverhältnisse:

  • Vollmar von Schulte-Halbeswig (1350–1412), genannt Hoferbe, Landwirt und Schulte zu Halbeswig.
  • 1458: Verkauf von drei Hufen Land durch Godert von Meschede an die Söhne von +Gobelen und Dyderick Melicksupene.
  • 1478: Diderich Melcksupen erwirbt drei Höfe und andere erbliche Güter in Halbeswig.
  • 1543: Steuerbuch erwähnt die Witwe von Hanß Milchsuppen sowie weitere Familien wie Thoniß Milchsuppen, Godhardt, Thonis Gothardts Vetter und Dorpscheiper.
  • Familien Meschede und Hanxleden (teils mit, teils ohne „von“).

Text: Christel Zidi

 

Foto: Martin Lindner, CC BY-SA 3.0  via Wikimedia Commons

Der Stracken-Hof in Sundern-Endorf

Das älteste steinerne Bauernhaus in kurkölnischen Sauerland

 

 

Anno Domini 1664

„Kinder, kommt rein. Es ist Zeit für das Abendbrot!“
Noch immer rief Catharina Stracke ihre Kinder jeden Abend zum Essen. Elisabeth, das jüngste Kind, war nun auch schon zehn, Antonius, der Hoferbe, bereits 25 Jahre alt. Während die Jüngeren noch mit den Nachbarskindern spielen durften, halfen die Älteren mit, wo es gerade nötig war. Die Schwestern Angela und Anna Margaretha kümmerten sich um das Ofenhaus oder halfen in der Küche, während Antonius und Johannes meist beim Eisenhammer waren, der auf dem Gelände des Hofes lag. Die Wasserkraft des nahe gelegenen Baches konnten sie gut für den Hammer nutzen. Auch für den Bruder des Vaters war das Wasser nützlich, denn dieser hatte sich am Bach eine Lohgerberei eingerichtet.

Catharina liebte das abendliche Ritual, wenn die Familie sich gemeinsam mit Knechten und Mägden um den großen Gesindetisch versammelte. Auch ihr Schwiegervater Georg verließ dann seinen Platz am Kachelofen und gesellte sich zu ihnen. Seit ihr Mann Hermann den Kurfürsten Max Heinrich vor neun Jahren dazu gewinnen konnte, das Bergwerk am Erbenstein wieder in Betrieb zu nehmen, gab es für die Familie nur wenige Ruhepausen. Hermann war ein fleißiger und ehrgeiziger Mann und hatte sich als Schichtmeister an einigen Geschäften der Metallgewinnung und -verarbeitung beteiligt. Niemand in der „Bergfreiheit“ Endorf hatte es so weit gebracht. Als Schichtmeister hatte Hermann Stracke – zusammen mit Kurfürst Max Heinrich – das Bergwerk in Endorf am Erbenstein um 1655 wieder in Betrieb genommen. Das Bergwerk war maßgeblich an der Industrialisierung des Bergbaus in dieser Region beteiligt.

Fünf Feuerstellen – einschließlich des Hammerherdes, der Feuerstelle des Eisenhammers und der für den Braukessel – konnte er sein Eigen nennen. Als Catharina 1637 nach der Heirat in Stock auf den Hof gekommen war, hatte sie sich schnell einfinden können. Ihr Mann Hermann und Georg, der Schwiegervater, hatten das niederdeutsche Hallenhaus 1634 während des Dreißigjährigen Krieges errichtet. An genau der Stelle, an der bereits ein Lehnshof des Kanonikerstifts Meschede gestanden hatte, der von der Familie Stracke bewirtschaftet worden war.

Catharina war kein einfaches Bauernmädchen. Sie war 1618 auf dem Gut Marpe in Niedersorpe geboren worden – dem Lehnsgut ihres Vaters Theodor Pape. Dessen Mutter war Katharina von Plettenberg, deren Familie in dem kleinen Ort bei Eslohe ihren Sitz hatte. Der Großvater war Hermann von Pape, genannt von Marpe, und besaß verwandtschaftliche Beziehungen zu Adligen aus dem Raum Soest.

Auf Gut Marpe wurden auch sechs der sieben Kinder von Catharina und Hermann geboren. So wie es früher oft üblich war, bekamen Frauen ihre Kinder im Haus ihrer Eltern. Nur ihre Tochter Anna Margaretha hatte es eilig und wurde in Endorf geboren.

Im Strackenhof, einem niederdeutschen Hallenhaus, lebte Catharina bis zu ihrem Lebensende. Ihr zwei Jahre älterer Mann Hermann starb 1666 und fand in Stockum seine letzte Ruhe.

 

Architektur

Der Strackenhof hat einen dreischiffigen Grundriss mit einem zentralen, haushohen Wirtschaftsteil und zweigeschossigen Seitenschiffen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde immer wieder an- und umgebaut. Heute ist vom Altbau noch die linke Seite der Diele erhalten. Einst standen hier die Kühe – unter einem neun Meter langen, verzierten Balken. 1780 wurde das Haus um fünf Meter verlängert; im Obergeschoss wurden zwei große Kammern eingerichtet. Dabei wurde der alte Rückgiebel abgerissen und durch eine Wand aus Fachwerk ersetzt.

Ein Hof mit beachtenswerter Ausstattung
Eine Besonderheit des Hofes ist der Wirtschaftsgiebel in seinem kaum veränderten Zustand: „Eine Seltenheit in der Region“, sagte dazu LWL-Denkmalpfleger Dr. Thomas Spohn. „Er gibt mit dem spitzbogigen Dielentor und der rundbogigen Stalltür sowie im Inneren mit einer Feuerstelle wichtige Hinweise auf das ländliche Wohnen und Wirtschaften im 17. Jahrhundert.“
Beachtenswert auf dem Hof ist auch ein größerer, unterkellerter Raum mit einem eingebauten Wandkamin, der seinen Rauch nicht durch einen Schornstein, sondern durch ein Loch im Vordergiebel unterhalb des Fachwerks entließ. Solche Räume, auch Kemenate genannt, waren bis in die Barockzeit typische Wohnräume der Oberschicht – wie Großbürger, Pfarrer und Adlige.

War es Catharina, die die Idee hierzu hatte?
Das Wohnrecht hatte wohl der kurfürstliche Jäger, der es sich hier nach der Jagd vor dem Kamin gemütlich machen konnte.

Strackenhof, Endorf – Mitte des 19. Jahrhunderts

Der Bergbau in Endorf war wegen nachlassender Fördermengen eingestellt worden. Als der erst 19-jährige Anton Severin gen. Stracke den Hof 1854 von seinem Vater Franz übernahm, begann er schon bald mit der Modernisierung. Er ließ einen Teil des Altbaus entfernen. Das Längsdeelenhaus mit seinen Außenwänden aus Bruchstein wurde in ein Querdeelenhaus umgebaut, wie es zu dieser Zeit im Sauerland üblich war. Das Eingangstor und die gesamte Deele wurden an die der Straße zugewandten Traufseite verlegt, und das bisherige Eingangstor wurde vermauert. Neue Wandöffnungen entstanden. Das rechte Seitenschiff des Baus von 1634 wurde entfernt bzw. mit der einstigen Längsdiele zum Stall umfunktioniert. Rechts der Wirtschaftsdiele wurde im zweigeschossig unterteilten Wohnteil ein Längsflur mit beidseitig je zwei Räumen pro Etage angelegt. Der imposante Vordergiebel wurde mit einem Spitzbogentor versehen, und dem Steinbau wurde zwei Meter über der Traufhöhe ein Fachwerkoberteil mit dreifacher Vorkragung (= vorspringende Gebäudeteile) aufgesetzt. Zum Hof gehörten auch drei Nebengebäude, u. a. ein Schafstall.

Das 20. Jahrhundert

1910 wurden mehrere Teile des Innenraums in zusätzlichen Wohnraum umgewandelt. 1949 wurde der Wohnteil durch den Anbau eines ausgeprägten Wohnhauses erweitert. Der östliche Teil des Hauses, in dem sich der Küchenbereich und einige Kammern befunden hatten, wurde 1949/50 abgebrochen.

Das 21. Jahrhundert

Lange Zeit stand der Strackenhof in Sundern-Endorf leer und verfiel zusehends – ein marodes Gebäude mitten im Ort, für viele ein Schandfleck. Zwar wussten die Dorfbewohner dank der Interessengemeinschaft Bauernhaus um die historische Bedeutung des 389 Jahre alten Hofes, doch hielten sie eine Sanierung für sinnlos.

„Das Projekt war anfangs sehr umstritten“, erinnert sich Hubert Cordes, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Strackenhof. „Für viele Endorfer war es unverständlich, dass Zeit und Geld in ein abbruchreifes Haus fließen sollten, statt in soziale oder kulturelle Projekte.“

Ursprünglich war geplant, den Hof in die Denkmalliste der Stadt Sundern aufzunehmen. Doch Widerstand aus der Bevölkerung und die spätere Insolvenz des damaligen Eigentümers machten dieses Vorhaben schwierig. 2007 wurde schließlich die Abbruchgenehmigung erteilt. Doch einige wenige erkannten den historischen Wert des Gebäudes – nicht nur für Endorf, sondern für das ganze Sauerland. Dreißig engagierte Bürgerinnen und Bürger schlossen sich im Oktober 2007 zur Interessengemeinschaft Strackenhof zusammen und kämpften mit Nachdruck für den Erhalt.

Dank ihrer Initiative und mit großzügiger Unterstützung von Bund, Land und der NRW-Stiftung konnte der Strackenhof zwischen 2009 und 2014 saniert und in eine multifunktionale, öffentliche und barrierearme Begegnungsstätte umgewandelt werden. 2009 gelang zudem die Aufnahme in die Denkmalliste.

 

Anmerkung: Nach den Strackes führten Familien mit den Namen Carthaus bzw. Severin den Hof, wurden im Dorf aber trotzdem Stracken genannt.
 

Quelle Ahnendaten: https://datenpool.bvff.de/tree/Boege-Bangert.ged/family/F262/Hermann-Stracke-Catharina-Pape

Text: Christel Zidi

Translozierte Häuser

In einen anderen Ort ziehen und das Haus mitnehmen?

Kaum vorstellbar – und doch wurden auch im Sauerland schon sogenannte „Translozierungen“ – wie der Fachbegriff dafür lautet – durchgeführt. Und das nicht erst in jüngerer Zeit mit moderner Technik, sondern auch schon vor mehr als hundert Jahren.

Zunächst wird das Gebäude an seinem alten Standort Schritt für Schritt katalogisiert – gut, wenn es noch alte Dokumente gibt. Anschließend wird es vorsichtig abgebaut und mit Sattelschleppern sicher zum neuen Standort gebracht. Naja, Sattelschlepper sind es in moderner Zeit – früher mussten Pferde die Last ziehen. Als Transportmittel dienten wahrscheinlich Baumstämme, auf denen die großen Teile auflagen.

Bei Fachwerkhäusern ist es meist so, dass deren Balken miteinander verzapft sind und sich deshalb leicht voneinander trennen lassen. Später musste das Lehmgefache zwischen den Hölzern allerdings erneuert werden. Das ist heute nicht unbedingt mehr nötig, denn Firmen, die sich auf Translozierungen spezialisiert haben, transportieren möglichst große Teile der Bausubstanz. Wichtig ist auch, dass sie sich auf alte Handwerkstechniken verstehen, damit der ursprüngliche Charakter des Hauses bewahrt bleibt.

Translozierungen sind aus denkmalpflegerischer Sicht nur dann angemessen, wenn dadurch ein ansonsten drohender Totalverlust abgewendet werden kann. Denn was dabei verloren geht, ist der historische Bezug: Zuvor hatte ein solches Haus städtebauliche, siedlungs- und sozialgeschichtliche Verbindungen – archäologische Relikte in und um das Gebäude sowie Bezüge zu Vorgängerbauten. An einem anderen Ort kann es diese Zeugenschaft nicht mehr in derselben Weise erfüllen.

Von Voßwinkel nach Bachum

Aber es kann sich ein neues Geschichtsbild aufbauen – so geschehen bei den „Hausversetzern“ in Bachum. Die Familie Kemper lebt heute in einem schönen Neubau. Direkt gegenüber, in dem alten Bauernhaus, sind Stefan und Hubert Kemper groß geworden.

Der Urgroßvater, eigentlich ein Voßwinkeler, arbeitete als Schäfer auf dem Hof Ebel in Voßwinkel. Später baute er oberhalb des Dorfes Bachum ein Haus – und das ohne Absprache mit der Gemeindevertretung! Wahrscheinlich gab es nur interne Absprachen zwischen dem Schäfer Kemper und dem Bauern Ebel vom „Kaiserhof“. Der Kaiserhof war einer der Urhöfe von Bachum und ist heute noch als Hof Ebel bekannt.

Dass dieses Haus 1848 transloziert wurde – versetzt von Voßwinkel nach Bachum – gilt als bewiesen. In den alten Akten des Arnsberger Stadtarchivs ist zu lesen, dass das Haus von „Voßwinkel nach Bachum gefahren“ wurde. Eine Ganzteil-Translozierung? Das war nichts wirklich Seltenes. In früheren Jahrhunderten entstanden aufgrund „unregelmäßiger Zuweisungspolitik für Siedlungswillige“ viele Häuser „schwarz“. Die Gebäude wurden oftmals heimlich errichtet – und mussten am nächsten Morgen fertig sein, sonst drohte der Abriss.

Die Hausversetzung von Voßwinkel nach Bachum war mit einigen Problemen verbunden. Lesen Sie dazu auch den Bericht im WOLL-Magazin:
https://woll-magazin.de/umzug-von-vosswinkel-nach-bachum-mit-haus/sversetzung von Voßwinkel nach Bachum war mit einigen Problemen verbunden.

Von Madfeld nach Detmold – und wieder zurück

1828 wurde die Forstscheune für die kurfürstliche Forstdienststelle in Madfeld errichtet. Sie diente bis in die 1970er-Jahre der Unterbringung von Vieh und als Lager für landwirtschaftliche Geräte. Nach der Auflösung des Forstamtes in Madfeld verlor die Scheune ihre Funktion und drohte zu verfallen.

1982 übertrug das Land Nordrhein-Westfalen als Eigentümer die Forstscheune dem LWL-Freilichtmuseum Detmold. Dort wurde sie von den Museumszeichnern sorgfältig aufgemessen, katalogisiert und wissenschaftlich untersucht.

Da im Museum bereits ähnliche Gebäude vorhanden waren, das ursprünglich benachbarte Forsthaus jedoch fehlte und zudem keine finanziellen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung standen, wurde die Scheune abgebaut, trocken eingelagert und geschützt auf dem Museumsgelände verwahrt.

2017 kehrte die Forstscheune nach Madfeld zurück. Es war das erste Mal, dass ein eingelagertes Fachwerkgebäude aus dem Freilichtmuseum Detmold an seinen Ursprungsort zurückgebracht und wieder aufgebaut wurde. Und nicht nur die Kosten übernahm das Freilichtmuseum – sondern sogar den Rücktransport. Voraussetzung war, dass der ursprüngliche Charakter des Gebäudes erhalten bleibt.

Von Wiggeringhausen nach Olsberg

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde direkt neben dem Kohlhasenhuf in Olsberg ein Haus errichtet, das zuvor an seinem alten Standort in Wiggeringhausen abgetragen worden war.

Text: Christel Zidi


 

 Schulten- und Kohlhasen-Hof in Gierskopp

„Ich bin die Meiersche“ (fiktiv)

Man hat mich die Meiersche genannt. Nicht wegen meines Mädchennamens – den kannte irgendwann kaum noch jemand. Sondern weil ich die Frau des Schulten war: Joannes Henricus Wilhelmus Kather war sein Name. Und mit ihm, meinem Wilhelm, kam ich im Sommer 1818 auf den alten Hof, der tief verwurzelt ist in der Geschichte dieses kleinen Ortes: Gierskopp.

Gierskopp – so sagt man heute. Doch früher hatte dieser Ort viele Namen. Der Herr Pfarrer hat einmal erzählt, dass Gierskopp ganz früher Yashapen genannt worden sei. So fremd klang dieser Name, fremd wie der Wind von weit her. Später hieß es „Gerschopff“, dann „Girskop“, und irgendwann blieb nur noch Gierskopp – mein Zuhause.

Ich wurde auf der Gierskopp geboren. Mein Vater kam aus Tirol – ein starker Mann mit klugen Händen, der viel von der Welt gesehen hatte. Oft erzählte er uns von seiner Heimat, von den Bergen, die noch viel höher waren als die im Sauerland. Meine Mutter war von hier: bodenständig, warmherzig und schweigsam.

Zwei Höfe gab es einst hier draußen, am Rand von Olsberg, auf dem Weg nach Elleringhausen: den Schultenhof und den Kondukters- oder Kohlhasenhof. Ihre Felder, ihre Weiden – sie waren gemeinsames Gut. Damals zählten das Wort, das Land, der Ertrag. Und das Miteinander.

Der Kohlhasenhof brannte vor 200 Jahren nieder. Aber Volpert Kohlhase und seine Frau Elsa Stahlschmidt – sie haben ihn wieder aufgebaut. Und ihr Sohn, Stoffel, wurde später Meyer auf dem Schultenhof. Meyer – das war mehr als ein Verwalter. Es war ein Mann, der Verantwortung trug: für den Hof, für die Menschen, für die Ordnung.

Elsa blieb nach Volperts Tod allein zurück. Eine Frau mit Kraft, mit Mut. Sie führte den Hof, bis sie neu heiratete und fortzog. Jahre später wurde der alte Hof abgetragen. Und aus Wiggeringhausen brachte man ein anderes Haus her – Stein für Stein.

Zum Schultenhof gehörten 250 Morgen Land. Ein riesiges Stück, das bearbeitet werden musste – eine verantwortungsvolle Aufgabe. Mein Schwiegervater Adam Kather übernahm den Hof als junger Mann. Und nun ist sein Sohn Wilhelm – mein Wilhelm – dran. Er ist der „Schulte zu Giestop“, wie es in den Kirchenbüchern steht.

Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem ich Wilhelm in der Bigger Pfarrkirche heiratete. Ich brachte nichts als meinen Namen, meine Hände und mein Herz mit. Und ich wurde Teil dieser Geschichte. Die Leute nannten mich die Meiersche. Nicht Maria Gertrud, nicht Frau Kather – einfach die Meiersche. Das war mein Platz.

Ich war Bäuerin, Bäckerin, Mutter, Gastgeberin, Helferin. Ich war, was man brauchte. Und ich liebte diesen Ort, der einst Yashapen hieß. Ich habe gesehen, wie Höfe kamen und gingen, wie Feuer nahm – und wir dennoch weitermachten. Ich habe fünf Kinder zur Welt gebracht, Feste gefeiert, Abschiede erlebt. Und ich weiß: Auch wenn irgendwann mein Name verblasst, wird mein Leben ein Teil dieser Erde bleiben.

Wenn Sie mehr zu den komplexen Namensgebungen in früherer Zeit wissen möchten, dann erfahren Sie das…

 

Fakten

Der Schultenhof war ein Vollspannhof mit rund 250 Morgen Land

1270: Erwähnung des Ortsnamens Yashapen in der Stiftungsurkunde von Bigger; erste Erwähnung gemeinsamer Felder und Weiden.

1582: Errichtung des Schultenhofs.

1621: Zerstörung des Konduktershofs (*Kondukter, wenn die Leitung erblich übertragen wird) durch Feuer.

1622: Wiederaufbau durch Volpert Kohlhase und Elsa Stahlschmidt.

Um 1759: Adam Kather übernimmt den Schultenhof.

1818 heiraten Joannes Henricus Wilhelmus Kather (Sohn von Wilhelm Kather) und Anna Catharina Tüllmann) und Maria Gertrud Mayer (Tochter des Tirolers Nicolaus Mayer und Maria Elisabeth Rüther) 

1819: Henricus Kather als „Schulte zu Giestop“ erwähnt.

1837: Renovierung des Stalls.

1839: Wechsel der Lehnsherren: Von den Wreden von Scholls Schellenstein zu Freiherr von Wendt zu Gevelinghausen.

1852/53: Abriss des Kohlhasen-/Konduktershofs, Aufbau eines versetzten Hauses aus Wiggeringhausen.

2002: Feuer beschädigt den Stall des Schultenhofs.

2006: Zerstörung des versetzten Hauses durch Feuer.

Anm.: In der Sterbeurkunde von Wilhelm Kather ist als Berufsbezeichnung Knecht angegeben. Ob er oder ein Namensvetter der Verwalter des Hofes waren, ist nicht klar ersichtlich.

 

 

Quellen: 
https://www.olsbergwiki.de/Gierskopp www.olsberg-mittendrin.de

 Die Ortsnamen des Hochsauerlandkreises - Westfälisches Ortsnamenbuch (WOB)

Foto: Friedhelm Dröge, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Kämpfe auf dem "Vryethoff", dem freien Mülsborner Gut

 

 

Ihr meint, hier wär nie was los gewesen?“ – Mülsborn und der Kampfhof

Wenn heute jemand durch Mülsborn spaziert, hört er vielleicht den Wind in den Bäumen, das Plätschern des Schürenbachs – aber sonst ist es meist sehr still. Still genug, dass man meinen könnte, hier sei nie viel passiert. Doch das stimmt nicht. Wer Mülsborn kennt, weiß: In diesem kleinen Ort steckt mehr Geschichte, als man denkt. Und wer das besonders gut wusste, war Franz-Ferdinand Wittler.

Frans Ferdinand Witt(e)ler, geboren 1818 in Mülsborn, war ein echtes Original. Er machte alles, was man irgendwie mit den Händen machen konnte: Händler, Hausierer, Korbmacher, Lumpensammler, Strumpfweber – man sagte, er könne aus einem Weidenzweig fast alles flechten, sogar Geschichten. Und Geschichten hatte er viele.

Eine seiner liebsten erzählte er immer dann, wenn er mit seinem Korb auf dem Rücken vor dem alten Backhaus stand, wo sich die Leute trafen, um Neuigkeiten auszutauschen. Dann kratzte er sich am grauen Bart, setzte sich auf einen Baumstumpf, schob die Mütze in den Nacken – und begann: Ihr meint, hier wär nie was los gewesen?“ fragte er dann mit funkelnden Augen. „Ha! Da kennt ihr den Kampfhof nicht.“

Die Leute rückten näher, denn kaum jemand wusste, was ein Kampfhof sein sollte.

„Früher, da wurde hier nicht nur gestritten, da wurde gekämpft. Nicht mit Worten – mit Schwertern! Da hinten, beim alten Feldweg – wo jetzt das hohe Gras steht – da war der Kampfhof. Ein Platz für den Zweikampf. Wenn zwei sich so richtig in die Wolle gekriegt haben und kein Gericht entscheiden konnte, wer Recht hat – dann hieß es: Ab auf den Kampfhof!“

Er machte eine große Geste mit dem Arm, als würde er gerade selbst das Schwert schwingen. „Da standen sie dann: gepanzert, grimmig, bereit zum Hieb. Und das ganze Dorf hat zugeschaut. Der Sieger hatte Recht – so einfach war das. Damals hat man das 'Gottesurteil' genannt.“

Die Zuhörer waren still. Einige grinsten, andere sahen ungläubig drein. Wittler ließ sich davon nicht beirren.

Es gab sogar Streit, wem der Kampfhof überhaupt gehörte – dem Stift in Meschede oder den Herren vom Kloster Grafschaft. War also nicht nur was für die mit Helm und Schild, sondern auch für die mit Tinte und Siegel. So war das hier. Wo ihr heute spazieren geht, da wurde früher um Ehre, Land und Recht gekämpft.“

Er sah sich um, senkte die Stimme ein wenig.

„Und wisst ihr was? Man sagt, wenn’s ganz still ist – so wie jetzt –, dann kann man sie manchmal noch hören. Die alten Stimmen. Das Schnauben der Pferde. Das Klirren von Eisen.“

Dann stand er auf, rückte den Korb zurecht und ging seiner Wege. So wie immer.

Frans Ferdinand war kein Adliger, kein Gelehrter. Aber er kannte den Ort, kannte seine Geschichten – und vor allem konnte er sie lebendig machen.

 

Fakten zu Gut Mülsborn

  • 1318 wird Mülsborn erstmals erwähnt – es ist von einem „Brunsten von Mülsborn“ die Rede.
  • Das Gut „Vryethoff“ (freier Hof), wie es in den Akten genannt wird, war kurzkölnisches Lehen, zuvor wahrscheinlich Arnsberger Lehen.
  • Die Familie „von Mülsborn“ wird in den Lehnlisten des Grafen von Arnsberg nicht genannt, stand aber offenbar in dessen Diensten. 1319 und 1338 werden die „von Mülsborn“ erwähnt. Möglicherweise waren es Aftervasallen der von Kettlers, also lokale Adelige, die kleinere Höfe innehatten und nicht dem obersten Lehnsherrn dienstpflichtig, sondern demjenigen, der ihnen das Lehnen gab.
  • 1329 wird Anthon von Mülsborn (Muldesberen) als Zeuge bei einer Gerichtsverhandlung genannt – einer der ersten namentlich belegten Mülsborner.
  • 1385 erscheinen die Brüder Cracht, Henniken und Hinrich von Mülsborn in alten Akten.
  • 1513: Verkauf des Kampfhofes durch Diderick Westphalen an Meister Henneken zu Eslohe
  • 1591: Auseinandersetzung über die Zugehörigkeit des Kampfhofes – zum Hof des Stiftes Meschede in R. oder zum Berghoff (Kloster Grafschaft)
  • 1593: Bitte des Johann Westphalen um Zustimmung zum Verkauf des von Annen Westphalen, Witwe Schade zu Mülsborn, ererbten Haus

 

In Mülsborn sind verschiedene westfälische Adelsfamilien belegt, jeweils mit dem Namenszusatz „von“: Berninghausen, Fürstenberg, Gaugreben Bruchhausen, Hanxleden, Grafschaft, Laer, Meschede, Schade, Stockhausen, Westphalen und von Gudenberg

Daneben erscheinen weitere Familiennamen:
Spindeldreher, Klagges, Linhoffs, Middel, Kleine, Wilmer und Wittler.

 

Namenskunde: "von", "zu", "von und zu"

Die Adelsprädikate „von“ und „zu“ sind Namenszusätze, die in Deutschland verwendet werden, um Adelsfamilien zu kennzeichnen.

  • „von“ deutet auf einen Ort hin, mit dem die Familie in Verbindung steht.
  • „zu“ zeigt an, dass die Familie zu einem bestimmten Zeitpunkt im Besitz eines Ortes – oft einer Burg – war.
  • „von und zu“ wird verwendet, wenn eine Familie sowohl einem Ort entstammte als auch Eigentum dort besaß.

Text: Christel Zidi

 

Gut Vorwald und der "'Indianer-Apostel"

Es ist wahrlich ein schmuckes Anwesen: das Gut Vorwald. Bereits 1590 wurde es als „Walthaus“ urkundlich genannt. Das Stammhaus wurde 1797 erbaut. Es ist ein Fachwerkhaus, das im Dachbereich verschiefert ist. Unterhalb der verzierten Holztür, durch die früher das Stroh auf den Dachboden gebracht wurde, sind auf dem Rahmholz die Namen der Erbauer eingeschnitzt: Teodor Volmes und Marie Thresia Vorwalt.

Die Jahre davor müssen nicht leicht für die Familie Vorwalt gewesen sein. Bevor dieses Haus errichtet wurde, gab es an diesem Platz zwei Brände innerhalb von sieben Jahren! Möglicherweise ist der Blitz eingeschlagen – was früher keine Seltenheit war. Dazu das Stroh auf den Dachbalken – man kann sich gut vorstellen, wie es lichterloh gebrannt hat.

Zwar entwickelte Benjamin Franklin bereits 1753 den ersten funktionierenden Blitzableiter, aber bis seine Erfindung im Sauerland ankam, wird es noch eine Weile gedauert haben. Also verließen sich die Menschen in Vorwald weiterhin auf ihre Schutzheiligen. Wie bekannt ist, gibt es davon ja eine ganze Menge: Als Schutzpatrone für Landwirte sind besonders Georg und Isidor beliebt, speziell zum Schutz gegen das Feuer die Heiligen Agatha, Florian, Laurentius und Theobald. Doch warum wurde für dieses Haus der Heilige Xaver, der „Apostel der Indianer“, bemüht – wie es auf dem Riegel rechts neben dem Haustor zu lesen ist?

Um es gleich richtigzustellen: Der Heilige Franciscus Xaverius ist nicht der Apostel der Indianer, sondern der Inder – besser gesagt: Indiens. Er wurde 1506 in Spanien geboren und studierte an der Universität in Paris, wo er den Hl. Ignatius kennenlernte. Zunächst ehrgeizig und weltlich gesinnt, wurde er zum eifrigen Christen. Dort schloss er sich auch Ignatius’ junger Gemeinschaft an, aus der später der Jesuitenorden hervorging. 1537 wurde er zum Priester geweiht und 1540 von Papst Paul III. zur Mission nach Indien geschickt. Er wirkte unter Armen, Kranken und Kindern, kämpfte gegen moralischen Verfall, bekehrte Tausende und vollbrachte zahlreiche Wunderheilungen. Er gilt als einer der größten Missionare der Kirchengeschichte. 1622 wurde er heiliggesprochen und gilt seither als Schutzpatron gegen Feuerbrünste, für die Jugend und – wie praktisch – für Touristen und Reisende.

Man könnte fast von Vorsehung sprechen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Familie der heutigen Eigentümer, Fremdenzimmer einzurichten. Aus dem landwirtschaftlichen Gut wurde nach und nach ein schickes Hotel in traumhafter Lage.

Da kann man nur sagen: Danke, Franz Xaver.

Text: Christel Zidi

 

 

Fotos unten:

Links: Martin Lindner, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Mitte und rechts: Stefan Didam - Schmallenberg, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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