ADELIGE

He looks like a rockstar:
Daniel Dietrich von Landsberg

Rockstar im Rüstzeug – Daniel Dietrich von Landsberg zu Erwitte

Beim Anblick dieses Gemäldes kam mir zuerst in den Sinn, dass sich Ozzy Osbourne im Stil des 17. Jahrhunderts hätte malen lassen. Zuzutrauen wäre es ihm durchaus ... die dunkle Lockenpracht, die Rüstung, die fast wie ein Lederanzug wirkt. Aber dies war vor 400 Jahren die Mode auf den Rittersitzen und Adelshöfen.

Nein – dieser Herr, der wie ein Rockstar wirkt, ist Daniel Dietrich von Landsberg zu Erwitte (1615–1683). Bis ins 18. Jahrhundert und bis zum Jahr 1921 befand sich der Landsberger Hof im Besitz seiner Familie – einer der führenden Adelsfamilien Westfalens im 17. Jahrhundert.

Ursprünglich sollte Daniel Dietrich in den geistlichen Stand gehen, wurde dann jedoch Stammhalter und Haupterbe.

Er studierte an der Universität Orléans die Rechte. Dazu wurde er in Tanz und Musik ausgebildet (noch eine Parallele zu Ozzy ...), ebenso in Mathematik und Fechten. 1636 begab er sich auf eine ausgedehnte Kavalierstour – sie führte ihn durch Frankreich, England, Italien, Sizilien, Ungarn und die spanischen Niederlande.

Später wurde Daniel Dietrich Landdrost des Herzogtums Westfalen und ein hochrangiger Offizier. Seine Ämter umfassten: adeliger westfälischer Rat, Amtsdrost des Amtes Erwitte, Befehlshaber der kurkölnischen Truppen im Herzogtum Westfalen, Kurkölnischer Generalmajor.

Gleich drei Mal war Daniel Dietrich verheiratet. Die erste Ehe im Jahr 1642 mit Anna Margarethe von Raitz von Frentz brachte ihm gute Kontakte am kurfürstlichen Hof ein. Ihre Eltern waren Adolf Sigismund Raitz von Frentz zu Frentz und Kendenich, Geheimer Rat, Amtmann, kölnischer Landhofmeister und Erbkämmerer (Kurköln), sowie Maria Catharina von Altenbrück, genannt Velbrück zur Neuenburg.

Anna Margarethe verstarb allerdings bereits ein Jahr nach der Hochzeit.

Bild: public domain by wikimedia commons

Vier Jahre später heiratete Daniel Dietrich Anna Katharina Erwitte von Plettenberg zu Meiderich. Durch diese Verbindung ergaben sich für ihn Anwartschaften auf beträchtlichen Gutsbesitz. Seine Schwiegereltern waren Dietrich von Plettenberg zu Meiderich, Wocklum und Langenholthausen, sowie Wilhelmine Dorothea von Heyen. Doch auch mit Anna Katharina war ihm nur ein kurzes Eheglück vergönnt – sie starb bereits einen Monat nach der Eheschließung.

Erst neun Jahre später vermählte sich Daniel Dietrich erneut. Reichsfreiin Jutta Antonetta von und zu Leyen und Bongard brachte ihm weitere Verflechtungen mit bedeutenden Adelskreisen ein. Die Ehe war von Bestand – die beiden hatten fünf Söhne. Die 18 Jahre jüngere Jutta Antonetta überlebte ihren Gatten um 21 Jahre und wurde neben ihm im Kloster Wedinghausen beerdigt.

Bei seinem Tod gehörten die von Landsbergs zu den führenden Adelsfamilien Westfalens.

Text: Christel Zidi

 

Thusnelda – Zwischen Liebe, Macht und Legende

Welche Frau – und mag sie noch so modern, aufgeklärt und selbstbestimmt sein – hat nicht einmal den Traum vom Prinzen auf hohem Ross gehabt, der kommt, um sie aus der Enge des Zuhauses zu entführen?

Das wird bei Thusnelda nicht anders gewesen sein. Mit dem Unterschied, dass ihr Traum wahr wurde. Zwar war es kein Prinz, der zu ihr geritten kam – aber immerhin ein Fürst, was bei den Germanen jener Zeit schon ein sehr hoher Rang war. Auch das Pferd dürfte kein schlechtes gewesen sein. Von der „Enge des Zuhauses“ zu sprechen, passt auch nicht ganz – zumindest nicht, wenn es um räumliche Maße geht.

Thusnelda war die Tochter des Cheruskerfürsten Segestes, der – so erzählt man sich – auf der Eresburg in Marsberg lebte. Segestes wird sie gut behütet (oder besser: bewacht) haben. Denn seine Tochter war sehr schön, und eine gute Mitgift war zu erwarten. Thusneldas Verehrer entstammte ebenfalls einem Cherusker-Fürstengeschlecht – was einige Zeit zuvor durchaus ein Vorteil gewesen wäre. Doch ausgerechnet jetzt gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den Cherusker-Stämmen.

Schon dreimal hatte sie ihn gesehen – Hermann, den Cherusker – und war gleich für ihn entbrannt: groß, stattlich, mit blonden Haaren und strahlend blauen Augen. Auch in seinem Blick hatte sie beim ersten Mal Bewunderung gesehen – beim zweiten Mal: Begehr.

Nun saß Hermann an der Tafel ihres Vaters. Er war gekommen, um um ihre Hand anzuhalten. Thusnelda konnte aus der Entfernung nur Wortfetzen verstehen. Doch das, was sie hörte, klang nicht nach Einvernehmen.

Zehn Tage später saß Thusnelda auf seinem Pferd. Hermann hatte sie aus der Burg ihres Vaters entführt. Nun waren sie auf dem Weg in sein Stammesgebiet im Norden. Für Thusnelda begann eine wunderbare Zeit. Hermann war ganz anders als die Männer ihres Stammes: feiner, intelligenter, aufmerksamer. Die Römer hatten ihn schon in jungen Jahren mit ihrer Kultur und Sprache vertraut gemacht. Lange Zeit lebte er mit seinem Bruder in Rom. Deshalb konnte Thusnelda nicht verstehen, warum ihr Vater sich nicht für ihren Liebsten erwärmen konnte – immerhin mochte Segestes die Römer und ihre Kultur. Und niemand, den sie kannte, wusste so viel vom Römischen Reich wie Hermann.

Doch von keinem der beiden Männer erfuhr sie die wahren Hintergründe. Nur gelegentlich hörte sie, wie Hermann von einem freien Germanien sprach. Oft war er in dieser Zeit nicht in seiner Burg und nicht bei seiner Frau.

Zwischen den Cherusker-Stämmen hatte sich die Lage verschärft – es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Segestes gelang es, Hermann gefangen zu nehmen. Auch versuchte er, seine Tochter zurück zur Eresburg zu bringen. Doch Thusnelda war dazu nicht bereit – sie trug Hermanns Kind unter dem Herzen.

Freiwillig bekam Segestes seine Tochter nicht zurück – doch mit Gewalt. Er ließ sie entführen und nach Marsberg bringen.

Eine Frau war in jener Zeit nicht nur eine Frau, sondern das Eigentum des Mannes oder des Vaters. In diesem Fall fühlten sich beide Männer bestohlen. Nachdem Hermann sich befreien konnte, belagerte er die Eresburg. Doch erfolglos: Segestes hatte römische Truppen zu Hilfe gerufen. Diese sprengten nicht nur den Belagerungsring, sondern nahmen auch Thusnelda als Gefangene mit.

 

Für Thusnelda begann eine harte Zeit. Wie eine Ware war sie zwischen zwei Männern hin- und hergerissen worden. Und nun hatte ihr eigener Vater sie auch noch skrupellos an die Römer ausgeliefert – ohne ein Wort der Erklärung oder gar der Entschuldigung. Nicht einmal ein Abschiedswort.

In Ravenna kam ihr Sohn zur Welt: Thumelicus. Thusnelda vergoss viele Tränen – aus Freude über das Kind, das ihrem Liebsten so ähnlich sah; aus Gram, weil sie ihn vielleicht nie wiedersehen würde; und aus Wut über ihren Vater, der ihr dies alles angetan hatte.

Manches von dem, was sie in Germanien nur geahnt hatte, erklärten ihr die römischen Frauen. Arminius, so nannte man Hermann hier, habe den römischen Statthalter Varus verraten. So konnte er die römischen Heere in eine Falle locken. Unter seiner Führung wurde die größte germanische Schlacht gewonnen. Warum es ihm jedoch nicht gelang, seine Frau und seinen Sohn zurückzuholen, erfuhr sie nie. Auch nicht, dass Hermann viele Jahrhunderte später in Germanien als Held gefeiert wurde.

Die Römer verachteten sie als Frau eines Verräters und ließen sie das jeden Tag spüren. Drei Jahre nach ihrer Entführung starb Thusnelda. Ob durch Enthauptung, gebrochenem Genick oder an gebrochenem Herzen lässt sich nicht mehr feststellen.   

Wäre die Hermannsschlacht von Heinrich von Kleist nicht im 20. Jahrhundert zur Pflichtlektüre an Schulen geworden, hätte man ihren Vornamen vielleicht mit Attributen wie schön, stark und treu besetzt. So aber waren nicht wenige Schüler derart von dem Drama genervt, dass sie die weibliche Hauptfigur des Stückes zum Synonym für nervige Frauen machten. Später wurde das Schimpfwort „Tussi“ daraus abgeleitet.

Schade eigentlich. Denn Mitgefühl für die schöne Sauerländerin wäre passender gewesen.

Text: Christel Zidi

 

Hermann (Arminius) and Thusnelda 

von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1822)

Eine Liebe auf Augenhöhe

Gertrud von Plettenberg und Ernst von Bayern
 

 

 

 

Dunkel glänzende Augen unter halb geschlossenen Lidern. Die Erinnerung an die letzte Nacht spiegelt sich in ihnen. Die Wangen noch immer gerötet. Die roten Lippen eines herzförmigen Mundes enden in nach oben gerichteten Mundwinkeln. Darunter ein kleines Kinn, unter dem sich der leichte Ansatz eines Doppelkinns abzeichnet. Unbändiges Haar fällt über die Schultern. Zufriedenheit, Leidenschaft – auch ein wenig Zügellosigkeit – spiegelt sich in diesem Gesicht wider, zumindest in der unteren Hälfte. Anders in der oberen: Über den starken, dunklen Augenbrauen, die wie mit dem Lineal gezogen wirken, wölbt sich eine hohe Denkerstirn.

Zweifelsohne war Gertrud von Plettenberg eine äußerst attraktive Frau – nicht nur äußerlich, sondern auch in dem, was sie an inneren Werten mitbrachte. Kein Wunder, dass der 76. Kölner Erzbischof, Ernst von Bayern, der in seiner Jugend kein Kind von Traurigkeit war, von der schönen und gebildeten Sauerländerin fasziniert war.

Gertrud stammte aus edlem Hause: Der Vater entstammte dem westfälischen Uradel, die Mutter einem baltischen Adelsgeschlecht. Dennoch führte ihre Familie nicht das Leben, das dem Adel gemeinhin zugeschrieben wird – zu klein, zu unbedeutend war das Rittergut Serkenrode bei Finnentrop. Und so wurde die adlige Brut früh aus dem Nest geworfen. Gertruds Bruder Anton wurde Gograf im Amt Fredeburg, ihre Schwester Eva Äbtissin im Kloster Drolshagen, die andere Schwester Anna Kellnerin im Kloster Oelinghausen. Auch Gertrud musste für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen. Sie war Verwalterin der Schlösser Arnsberg, Hirschberg und Höllinghofen – heute würde man sagen: Property Manager. Früher nannte man sie schlicht „Beschließerin“.

Ernst von Bayern entstammte einem hohen bayrischen Adelsgeschlecht. Sein Großvater mütterlicherseits war Kaiser Ferdinand. Für die Familie stand fest, dass er eines Tages in den geistlichen Stand eintreten solle – aber zuvor ließ man ihm die Freiheit, sich auszutoben. Das tat er auch.

An seiner Treue zur katholischen Kirche ließ er nie Zweifel aufkommen. Persönlich war er jedoch weniger an Religion interessiert, sondern vielmehr der Alchemie, Astrologie und Astronomie zugewandt – ebenso der Mathematik, Musik und Malerei. Ein äußerst gebildeter Mann, aber von starken Schwankungen geprägt: mal voller Tatendrang, dann wieder von Trägheit überwältigt. Leidenschaftlich und ungezügelt soll er gewesen sein. Seine Neigung zu gutem Essen, zur Jagd und zu Liebesaffären ist vielfach belegt.

Vielleicht war Gertrud sein weibliches Pendant. Ob sie ihm allerdings auch in Liebesangelegenheiten gleichkam, ist nicht bekannt. Aber es wäre vorstellbar – schließlich traf sie in ihrer Rolle als Verwalterin viele Männer. Und sie war unabhängig.

Für sie ließ Ernst den Landsberger Hof errichten. Er verlegte seinen Wohnsitz nach Arnsberg – nur, um seiner Geliebten ganz nah zu sein. Das Paar hatte einen Sohn, Wilhelm von Bayern, der später Abt der Klöster Stablo und Malmedy wurde, und eine Tochter, Katharina, die das Arnsberger Anwesen erbte.

1612 starb Ernst von Bayern mit 58 Jahren in Arnsberg. Beigesetzt wurde er im Kölner Dom.

Die Beziehung zwischen Gertrud und Ernst hatte auch kirchenpolitische Folgen. In Westfalen lebten katholische Geistliche im 16. Jahrhundert in einer Grauzone: Auch wenn sie nicht verheiratet waren, neigten viele dem – geduldeten – Konkubinat zu. Gelegentlich wurden Strafen verhängt, die aber am Tatbestand nichts änderten. Nach dem Tod Ernsts durften Priester nur noch ihr Amt ausüben, wenn sie nicht mit einer „Konkubine“ – wie es in überlieferten Visitationsprotokollen hieß – zusammenlebten.

Welchen politischen Einfluss Gertrud von Plettenberg hatte, zeigt sich auch daran, dass dem Erzbischof wegen der öffentlich missbilligten Beziehung ein Koadjutor zur Seite gestellt wurde. Ernst behielt zwar seinen Titel, verfügte aber nicht mehr über die vollen politischen und kirchlichen Rechte eines Erzbischofs und Kurfürsten. Dieser Koadjutor war sein Neffe und späterer Nachfolger: Ferdinand von Bayern.

1608 starb Gertrud von Plettenberg. Es gab Gerüchte, dass sie ermordet wurde. Kein Wunder, dass man sich bis heute die Sage erzählt von der Jungfer, die vom Landsberger Hof aus jede Nacht schlüsselklirrend zum Schloss hinauf wandern soll.

Text: Christel Zidi

Fotos: Wikimedia Commons – Public Domain

Götz von Berlichingen
Zu Gast bei den Herren von Padberg

Vieles ist unklar, was den Besuch des Götz von Berlichingen bei den Brüdern Johann und Friedrich von Padberg im Jahr 1516 betrifft. Der berühmt-berüchtigte Götz, mit vollem Namen Gottfried von Berlichingen, war alles andere als ein gottesfürchtiger oder friedfertiger Mensch. "Raubritter" trifft seine Berufsbezeichnung wohl am besten – wenngleich dieser Begriff erst im späten 18. Jahrhundert entstand und rückblickend eine eindeutig negative Konnotation bekam.

Götz und seine zahlreichen Berufskollegen verstanden sich niemals als kriminelle Subjekte oder Verbrecher. Sie waren Ritter niederen Adels, deren Lebensweise lange Zeit rechtlich legitimiert war. Sie besaßen Waffenberechtigung und trugen völlig zulässige Fehden aus. Wir dürfen unser heutiges Rechtssystem hier nicht anlegen: Im Mittelalter wurden Konflikte eben so geregelt. Als sich ab dem 14. Jahrhundert die ökonomischen Grundlagen des niederen Adels stetig verschlechterten, waren viele gezwungen, sich finanziell selbst zu versorgen – oft fühlten sie sich dabei im Recht.

Die meisten Ritter – auch die sogenannten Raubritter – dürften fleißige Kirchgänger gewesen sein. Von Götz von Berlichingen wissen wir, dass er regelmäßig die Messe besuchte.

Auch die Herren von Padberg verstanden sich als gute, ehrbare Christen, was ihre Schenkungen an das Kloster Bredelar nahelegen. Ein vorschnelles Urteil über die moralische Integrität der Ritter von Berlichingen und Padberg wäre also unangebracht.

Was aber trieb Götz nach Padberg? Der Weg aus dem Schwabenland ins Hochsauerland – Padberg liegt an der Grenze zu Hessen – war keineswegs bequem. Ein bloßer Verwandten- oder Freundesbesuch kann es kaum gewesen sein. Dahinter standen vermutlich handfeste Interessen.

1514 musste Götz 14.000 Gulden zahlen, um von der Reichsacht entbunden zu werden – sie war von Kaiser Maximilian über ihn verhängt worden, nachdem er unter anderem 95 Kaufleute aus Nürnberg, Augsburg, Ulm und weiteren Städten überfallen hatte – obwohl sie unter kaiserlichem Schutz standen. Götz war pleite und dringend auf der Suche nach neuen Einnahmequellen.

Die Padberger wiederum befanden sich einmal mehr in ihrer Dauerfehde mit dem Grafen von Waldeck, der eng mit dem Erzstift Mainz verbunden war. Für Götz eine willkommene Gelegenheit: Hier ließ sich vielleicht schnelles Geld verdienen. Mit dem Mainzer Erzbischof Albrecht lag er ohnehin schon in Fehde – also keinerlei Verpflichtungen. Der Plan war einfach, nicht ungefährlich, aber durchaus machbar.

Graf Philipp II. von Waldeck war das ideale „Projekt“ – um sowohl den Mainzern als auch den Waldecks eins auszuwischen, und dabei noch einen satten finanziellen Gewinn zu erzielen.

Der inzwischen bereits 63-jährige Graf von Waldeck war – wie seine späteren Kidnapper – ein frommer Mann, der ursprünglich für den geistlichen Stand vorgesehen war. In diesem Drama spielen also ausschließlich „fromme“ Männer eine Rolle, wobei selbstverständlich jeder für sich glaubte, Gott auf seiner Seite zu haben.

Mit Hilfe der Herren von Padberg, die sich in der Gegend gut auskannten und Philipps Reiseroute ausgekundschaftet hatten, gelang es Götz, den ahnungslos durch den Wald galoppierenden Grafen gefangen zu nehmen und ihn nach einem langen, anstrengenden und wilden Ritt irgendwo an der böhmischen Grenze zu verstecken.

Als Lösegeld verlangte er 8.900 Dukaten. Die Geldbeschaffung nahm einige Zeit in Anspruch – erfolgte aber schließlich zur allgemeinen Beruhigung. Nicht ganz: Auch wenn Götz von Berlichingen damit finanziell saniert war – er soll sich von dem Geld die Burg Jagsthausen gekauft haben – wurde er 1518 für diese Entführung und andere Überfälle erneut mit der Reichsacht belegt. Aber das kannte er ja schon.

Es folgten noch zahlreiche kleinere und größere Fehden, an denen Götz beteiligt war. 1540 löste ihn der Kaiser – inzwischen 60 Jahre alt – schließlich aus seiner Acht, weil er ihn für den Kampf gegen die Türken und später gegen die Franzosen brauchte.

Götz starb 1562 – und mit ihm auch die große Zeit der Ritter. Das Schicksal der Herren von Padberg bestätigt den Untergang des Rittertums: Johann von Padberg verließ 1550 seine Burg, da er sie nicht mehr unterhalten konnte.

Der Besuch Götz von Berlichingens bei den Herren von Padberg lässt sich sowohl als konspirative Vorbereitung eines Kidnappings als auch als legitime Aktion eines Ritters, der für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen muss deuten. Vielleicht trifft beides ein wenig zu.

 

Text: Sabina Butz
Foto: portrait.kaar.at, Public domain, via Wikimedia Commons

Erinnerungen der letzten Gräfin von Arnsberg

Die Witwe

Anders als die adligen Frauen des Sauerlandes trug ich als junge Frau gern mal den Hennin, die burgundische Haube. 

Die Beziehungen meiner Vorfahren nach Burgund waren schon immer ausgezeichnet. 

Würde mich nicht wundern, wenn bald Frauen aus unserem Hause dorthin verheiratet werden." (Anna)

Bild: KI-generiert by Microsoft Copilot

 

 

Gut Wildshausen, im Jahre des Herrn 1380 (ein fiktiver Brief der Anna von Kleve)

Manchmal, wenn die Sonne hinter den Hügeln versinkt und der Wind durch die Bäume flüstert, spüre ich sie wieder – die Stimmen von damals, das Echo eines Lebens, das mir heute als alte Frau wie ein ferner Traum erscheint.

Ich, Anna von Kleve, wurde in der Schwanenburg am Rhein geboren – als Nachkommin einer einflussreichen niederrheinischen Adelsfamilie. Und wie es sich für solch alte Häuser geziemt, war es wichtig, dass die Kinder gut – vor allem politisch klug – verheiratet wurden. Das Glück war dabei auf meiner Seite. Gottfried, ein Mann aus dem Arnsberger Grafengeschlecht, war nicht nur eine passende Partie, sondern auch recht gutaussehend. Und nicht nur das: Mein Ehegatte besaß eine geradezu königliche Güte. Dabei war er stolz, stark und oftmals auch ungestüm. Er konnte streiten, ja – und es gab viele Kämpfe in seinem Leben: mit den Kölnern, mit den Märkern, mit sich selbst. Doch wenn er mit den Menschen sprach – auf dem Markt, vor der Kirche, bei den Festen –, dann war er nicht Graf, sondern einer von ihnen. Ich sehe ihn noch vor mir, hoch zu Ross, wenn wir durch die Straßen ritten. Kinder rannten uns entgegen, Alte grüßten mit ehrlicher Wärme. Die Menschen liebten ihn – nicht nur, weil er ihr Herr war, sondern weil er sie achtete.

Als Arnsberg 1366 fiel, als Engelbert von der Mark die Burg nahm, habe ich gesehen, wie etwas in ihm zerbrach. Der Schmerz saß tief – um das, was verloren ging. Doch er richtete sich auf, wie er es immer getan hatte. Dann tat er das, was nur wenige können: Er ließ los. Nicht aus Schwäche – sondern aus Stärke. Als wir 1369 die Grafschaft dem Erzstift Köln überließen, war das unsere letzte große Tat. Ein Abschied in Würde. Für das Land. Für die Menschen. Für Arnsberg.

Ich werde nie vergessen, wie das Arnsberger Volk an jenem Morgen zusammenkam. Niemand hatte ihnen gesagt, was geschehen sollte. Und doch wussten sie es. Still und traurig standen sie in den Gassen. Sie folgten uns bis zum Kloster Wedinghausen, wo Gottfrieds Ahnen ruhen. Dort beteten und weinten sie mit – und um uns. Anschließend verabschiedeten wir uns, stiegen auf unsere Pferde. Die Menschen folgten uns bis zur Ruhr. Als wir oben auf der Hellefelder Höhe standen, hielt Gottfried an. Er sah zurück – ein letztes Mal. Die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Ich hatte ihn selten so gesehen.

Zwei Winter hatten wir noch gemeinsam. In Brühl, das uns als Gegenleistung überlassen wurde. Gottfried war ruhig geworden. Oft saßen wir schweigend beisammen – und doch war da mehr Nähe als in all den Jahren zuvor. Im Februar 1371 starb er – in meinen Armen. Friedlich. Voller Würde. Man bestattete ihn im Kölner Dom. Als einzigen weltlichen Herrn. Mit Lederpanzer und Kettenhemd. Als Zeichen seiner Standhaftigkeit.

Obwohl eigene Kinder ihm vieles erleichtert hätten, hatte er mir nie eine andere Frau an die Seite gestellt. Er war immer gut zu mir – und ich zu ihm. Er sorgte für mich – sogar im Abschied. Er wollte, dass ich frei entscheiden könne, wo ich alt werde. Ob ich in Brühl bleibe oder heimkehre nach Westfalen. Sollte ich zurückkehren, würde ich Burg Hachen erhalten – doch mein Anspruch auf Witwengeld wäre damit erloschen.

Obwohl ich am Rhein geboren wurde, fühlte ich mich in Brühl nie wirklich zu Hause. Mein Herz war im Sauerland – dort, wo die Wälder dunkler und die Menschen stiller sind. Ich kehrte zurück. Gut Hachen war zwar eine stattliche Burg, aber viel zu kalt für mich. Daher hatte ich mir noch zu Gottfrieds Lebzeiten, im Jahre 1370, das Gut Wildshausen im Ruhrtal zuweisen lassen. Dort standen mir ausreichend Getreide, Vieh und Taler zur Verfügung – das wurde mir schriftlich zugesichert. Aber nicht nur das: Mein treuer Gatte sorgte auch dafür, dass mir jährlich zehn Fuder besten Weines zukamen – zugesichert mit eigenhändiger Unterschrift. Es war sein Versprechen: dass mir nie das Lebensnotwendige fehlen würde – aber auch nicht das, was das Leben ein wenig süßer macht. Jedes Mal, wenn die Fässer kamen, dachte ich: Er sorgt noch immer für mich.

Nur selten reite ich hinaus nach Himmelpforten, zum Kloster, das die Großmutter Gottfrieds gestiftet hatte. Dort, am Ufer der Möhne, treffe ich mich manchmal mit den Ordensfrauen. Es tut gut, mit ihnen zu sein – mit ihnen zu reden und mit ihnen zu schweigen. So wie ich es auch mit Gottfried konnte. Ja, und auch mal den Kelch süßen Weins mit ihnen zu teilen.

Gottfried war ein guter Mann. Und ich war seine Frau. Mehr brauche ich nicht gewesen zu sein.

 

Fakten

  • 1338 – Regierungsantritt Graf Gottfrieds IV.,, des letzten Graf von Arnsberg
  • 1338–1360er – Ständige Fehden mit der Grafschaft Mark und dem Erzstift Köln
  • 1366 Graf Engelbert von der Mark erobert Arnsberg und zerstört die Burg
  • 1368 Verkauf der Grafschaft an das Erzstift Köln für offizielle Summe von130.000 Gulden
  • 1368 – Vergabe von Privilegien und Schenkungen an treue Gemeinden: Neheim schenkte er 900 Morgen Land. 
  • 1369 – Offizielle Übergabe der Grafschaft an das Erzstift Köln 
  • 1369 Gottfried und Anna verlassen Arnsberg
  • 1371 (21. Februar) – Tod Gottfrieds in Brühl im Alter von 75 Jahren, in den Armen seiner Frau Anna
  • Gottfried ist der einzige weltliche Herrscher, der in einem Hochgrab im Kölner Dom beigesetzt ist.
  • 1392 Gräfin Anna stirbt. Genaues Datum bzw. Sterbeort sind nicht bekannt
  • Die Ehe mit Anna von Kleve blieb kinderlos
  • Gräfenbegräbnis: Regelmäßig reist eine Abordnung von Vereinen, Schulkindern und Repräsentaten der Stadt nach Köln und legt einen Kranz an seinem Grab nieder.
  • An die Schenkung des Grafen wird bis heute durch die "Donatorenfeier" gedacht.

s. a. Karl Féaux de Lacroix: Geschichte Arnsbergs

 

Text: Christel Zidi

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